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Schadensersatz gegen Porsche Automobil Holding SE wegen vermeintlich unrichtiger Ad-hoc-Mitteilungen: Oberlandesgericht Braunschweig weist Beschwerden von drei Klägern zurück

Der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig hat mit Beschlüssen vom 20. Januar 2014 die sofortigen Beschwerden der Kläger in drei beim LG Braunschweig anhängigen Schadenersatzverfahren gegen die Porsche Automobil Holding SE zurückgewiesen



Gegenstand der sofortigen Beschwerden ist die durch das Landgericht Braunschweig ausgesprochene Ablehnung der Aussetzung des jeweiligen Rechtsstreits vor dem Hintergrund einer strafrechtlichen Anklage der Staatsanwaltschaft Stuttgart.

Hintergrund:

Die Klägerinnen machen in drei Verfahren vor dem Landgericht Braunschweig teils aus eigenen und teils aus abgetretenen Rechten Ansprüche auf Ersatz finanzieller Verluste nach Transaktionen mit Kaufoptionen auf Stammaktien der Firma Volkswagen AG geltend. Sie gründen ihre Ansprüche auf verschiedene, ihrer Ansicht nach unzutreffende bzw. irreführende Pressemitteilungen und ad-hoc-Mitteilungen der Beklagten in der Zeit zwischen dem 25.09.2005 und dem 26.10.2008.

Im Dezember 2012 hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen zwei ehemalige Vorstandsmitglieder der Beklagten Anklage zum Landgericht Stuttgart erhoben. Dazu hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart am 19.12.2012 eine Pressemitteilung veröffentlicht. Darin wird u.a. ausgeführt, dass die früheren Vorstandsmitglieder der Beklagten wegen des Vorwurfs der informationsgestützten Marktmanipulation angeklagt sind. Porsche habe – so die Anklagebehörde laut Pressemitteilung - im Zeitraum vom 10.03. bis 02.10.2008 in mindestens fünf öffentlichen Erklärungen eine bereits bestehende Absicht zur Aufstockung seiner Beteiligung an der Volkswagen AG auf 75% dementiert, was konkrete Anleger zur Veräußerung bereits gehaltener Stammaktien und zum Tätigen von Leerverkäufen veranlasst habe. Über die Zulassung der Anklage ist bisher nicht entschieden.

Den Antrag der Klägerinnen, die zivilrechtlichen Schadensersatzklagen vor dem Landgericht Braunschweig im Hinblick auf die vorgenannte Strafanklage auszusetzen, hat das Landgericht Braunschweig abgelehnt. Hiergegen richten sich die sofortigen Beschwerden, über die der 7. Zivilsenat jetzt entschieden hat. Das Landgericht hat den sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt

Der 7. Zivilsenat des OLG Braunschweig hat die Ablehnung der Aussetzung des Zivilverfahrens durch das Landgericht Braunschweig in jeweils 11-seitigen Beschlüssen bestätigt.

Die Aussetzung der Verfahren ist keineswegs zwingend, sondern steht im pflichtgemäßen Ermessen des Landgerichts. Nach der Zivilprozessordnung (§ 149 ZPO) kann das Gericht die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung eines Strafverfahrens anordnen, wenn sich im Laufe des Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung „von Einfluss ist“. Das soll dem Gericht die Möglichkeit geben, den Ausgang eines Strafverfahrens abzuwarten, um die dort eventuell besseren Erkenntnismöglichkeiten nutzbar zu machen. Ist ein solcher Aussetzungsgrund gegeben, liegt es im Ermessen des Gerichts, ob es der Beschleunigung des Zivilrechtsstreits den Vorrang gibt oder die besseren Erkenntnismöglichkeiten des Strafverfahrens nutzt.

Nach Auffassung des 7. Senats fehlt es hinsichtlich der Verlautbarungen der Beklagten aus der Zeit vor dem 10.03.2008 sowie der Pressemitteilung vom 26.10.2008 bereits an einem Aussetzungsgrund. Denn die Anklage der Staatsanwaltschaft Stuttgart stütze sich nicht auf Erklärungen aus dieser Zeit, sondern allein auf vermeintliche Marktmanipulationen durch insgesamt 5 Erklärungen im Zeitraum vom 10.03.2008 bis 02.10.2008. Wegen der weiteren Erklärungen der Beklagten (insbesondere auch die vom 26.10.2008), auf die sich die Klagen ebenfalls gründen, habe die Staatsanwaltschaft die strafrechtlichen Ermittlungen eingestellt. Insoweit könne es aus dem Strafverfahren keinen Erkenntnisgewinn für das Zivilverfahren vor dem Landgericht Braunschweig geben.

Im Übrigen sei nicht ersichtlich, dass die Entscheidung des Landgerichts Braunschweig, das Verfahren nicht auszusetzen, ermessensfehlerhaft wäre. Das Landgericht habe Für und Wider einer Aussetzung, nämlich die Verzögerung des Zivilprozesses gegen den möglichen Erkenntnisgewinn und die Prozessökonomie nur einer Beweisaufnahme, in nicht zu beanstandender Weise gegeneinander abgewogen.

Zum einen dauerten die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart bereits vor der Anklageerhebung drei Jahre und die Zulassung der Anklage sei auch nach etlichen Monaten - inzwischen über einem Jahr - noch nicht erfolgt, was nicht für eine rasche Beendigung des Strafverfahrens spreche.

Zum anderen seien im Zivilverfahren noch weitere, über die Prüfung im Strafverfahren weit hinausgehende Rechtsfragen zu beantworten. Die Bejahung der Erfüllung des in Stuttgart angeklagten Tatbestandes des Verbots der Marktmanipulation (§ 20a WpHG) bedeute deswegen nicht zwingend, dass auch die Voraussetzungen der vor dem Landgericht Braunschweig geltend gemachten Schadensersatzansprüche gegeben sind. Dies gelte insbesondere für die Frage, inwieweit die vermeintlich falschen Mitteilungen für die Entstehung des geltend gemachten Schadens ursächlich seien.

Schließlich sei nicht ersichtlich, inwieweit die Erkenntnismöglichkeiten des Strafprozesses konkret besser nutzbar gemacht werden könnten, als diejenigen des Zivilrechtstreits.
Presseinfo

Artikel-Informationen

Ansprechpartner/in:
Ingo Groß

Oberlandesgericht Braunschweig
Pressesprecher
Bankplatz 6
38100 Braunschweig
Tel: 0531/488-2472
Fax: 0531/488-2470

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