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Geschichte

Die Entwicklung nach 1945 bis heute
Foto des Gerichtsgebäudes Bankplatz 6 Bildrechte: KR
Gerichtsgebäude Bankplatz 6

Nach der Kapitulation des Deutschen Reiches wurden die Gerichte zunächst geschlossen und durften ihre Tätigkeit erst wieder aufnehmen, soweit dies von der britischen Militärregierung bestimmt wurde. Die Strafrechtspflege wurde anfangs von Militärgerichten ausgeübt, die in Strafsachen an die Stelle der deutschen Gerichte traten, die Zivilgerichtsbarkeit blieb zunächst suspendiert. Innerhalb kurzer Zeit versuchten die Briten aber, die Spitzenpositionen in der Justiz wieder zu besetzen. Mit Wirkung zum 01.05.1945 wurde der 70jährige Oberlandesgerichtsrat Wilhelm Mansfeld, der 1939 auf eigenen Antrag pensioniert worden war, zum Oberlandesgerichtspräsidenten ernannt (vgl. hierzu auch den Beitrag von Dieter Miosge über "Die Braunschweiger Juristenfamilie Mansfeld" in der Festschrift des Oberlandesgerichts).

Die politische Überprüfung der Richter fand in den ersten Monaten nach der Besetzung ohne förmliche Beteiligung einer deutschen Stelle durch die britische Militärregierung statt. Im Herbst 1945 waren die personellen Überprüfungen so weit fortgeschritten, dass die Gerichte im Land Braunschweig wieder eröffnet werden konnten, das Oberlandesgericht am 07.11.1945 als eines der ersten in der britischen Zone. Es bestand aus dem 1. und 2. Zivilsenat sowie dem Strafsenat, dessen Besetzung identisch war mit derjenigen des 1. Zivilsenats, dem der Präsident vorsaß. Von den acht Richtern waren vier keine Mitglieder der NSDAP gewesen, die anderen wurden vom Oberlandesgerichtspräsidenten aufgrund Kenntnis ihrer persönlichen Umstände und persönlichen Vertrauens berufen.

Die in der Folgezeit auch in der Justiz einsetzenden Entnazifizierungs-Verfahren hatten letztlich keinen durchschlagenden Erfolg, zumal die Besatzungsmächte daran alsbald das Interesse verloren und der Funktionstüchtigkeit des öffentlichen Dienstes den Vorrang einräumten. Die meisten Richter und Staatsanwälte konnten – ggfs. nach einer gewissen Übergangszeit – in den Justizdienst zurückkehren, was aus heutiger Sicht problematisch war und keinen eigentlichen Neuanfang bedeutete, aber vor dem Hintergrund der damaligen Verhältnisse gesehen werden muss.

Als Mansfeld am 30.07.1948 aus seinem Amt schied, war die allererste Phase des Wiederaufbaus der Justiz abgeschlossen. Sein Nachfolger wurde Dr. Bruno Heusinger, der von 1933 bis 1935 bereits einmal Oberlandesgerichtspräsident in Braunschweig gewesen war, seinerzeit aber wegen seiner kritischen Haltung gegenüber dem NS-Regime zurückgestuft wurde (vgl. hierzu den Beitrag von Manfred Flotho in der Festschrift des Oberlandesgerichts über "Bruno Heusinger – Ein Präsident im Konflikt zwischen Solidarität und Gewissen"). Heusinger wurde 1955 Oberlandesgerichtspräsident in Celle und ging 1960 von dort nach Karlsruhe, wo er bis 1968 Präsident des Bundesgerichtshofs war.

Auf Heusinger folgte in Braunschweig Dr. Friedrich-Wilhelm Holland, der bereits Anfang 1933 auf eigenen Antrag aus dem Justizdienst ausgeschieden war. Holland blieb Oberlandesgerichtspräsident bis zum Jahre 1968. Sein Nachfolger wurde der damalige Präsident des Landgerichts Braunschweig Gerhard Seidler. Er trat 1970 in den Ruhestand.

Waren bis zu diesem Zeitpunkt die Oberlandesgerichtspräsidenten weitgehend in der Braunschweiger Justiz beheimatet, so gelangte mit der Ernennung von Dr. Rudolf Wassermann zum Präsidenten des Oberlandesgerichts am 12.01.1971 seit langem erstmals wieder ein Jurist in dieses Amt, der einen anderen Werdegang aufwies. Wassermann war Landgerichtsrat und Kammergerichtsrat in Berlin, danach Ministerialrat im Bundesministerium der Justiz und seit 1968 Landgerichtspräsident in Frankfurt am Main gewesen. Er hatte sich über die nationalen Grenzen hinaus einen Namen als justizpolitischer Reformer gemacht, was in der Braunschweiger Justiz zunächst auf Vorbehalte stieß, die sich später aber legten. Nach innen und nach außen verfolgte er seine Reformvorstellungen von einer bürgernahen Justiz unermüdlich weiter, wobei er seine eigenen Positionen später kritisch hinterfragt und teilweise revidiert hat. Aus heutiger Warte ist manches von dem, was er vertreten hat, im Umgang zwischen Gericht und Bürger zur Selbstverständlichkeit geworden. Nach 19jähriger Tätigkeit an der Spitze des Oberlandesgerichts wurde Wassermann 1990 in den Ruhestand verabschiedet.

Vom 01.02.1990 bis 30.08.2001 war Manfred Flotho Präsident des Oberlandesgerichts. Nach 15jähriger Tätigkeit als Richter im Braunschweiger Bezirk und anschließender 10jähriger Verwendung im Niedersächsischen Justizministerium als Haushaltsreferent und Leiter der Abteilung I kehrte er mit der Berufung in dieses Amt zurück in seinen Heimatbezirk. Der Erhalt der Funktionsfähigkeit der Justiz und das Hinwirken auf ein Richterbild, das sich des Spannungsverhältnisses zwischen formellem und materiellem Recht bewusst ist und zugunsten der gerechten Entscheidung auflöst, waren ihm eine besondere Verpflichtung. Flotho gebührt das Verdienst, die Zuordnung des Landgerichts Göttingen zum Bezirk des Oberlandesgerichts Braunschweig maßgeblich befördert und damit dessen Existenzfähigkeit für die Zukunft gesichert zu haben.

Vom 06.09.2001 bis zum 31.08.2009 war Edgar Isermann Präsident des Oberlandesgerichts. Aufgewachsen in Helmstedt, war er mit der Region vertraut. Er war vorher mehr als 15 Jahre Richter in Hannover und seit 1990 in leitenden Funktionen im Niedersächsischen Justizministerium. Ein wichtiges Anliegen war ihm die kontinuierliche Verbesserung und Modernisierung der Justizstrukturen im Interesse einer effizienten und bürgerfreundlichen Justiz.

Vom 15.09.2009 bis zum 31.05.2015 lag die Leitung des Oberlandesgerichts und des Bezirks in den Händen von Prof. Karl-Helge Hupka, der davor 10 Jahre Direktor des Amtsgerichts in Gifhorn und seit April 2000 Präsident des Landgerichts Hildesheim war. Hupka hat sich mit Erfolg dafür eingesetzt, dass das Zentrale Vollstreckungsgericht für ganz Niedersachsen im Oberlandesgerichtsbezirk Braunschweig, nämlich im Amtsgericht Goslar, eingerichtet wird. Die räumliche Trennung des Oberlandesgerichts - Hauptsitz am Bankplatz, drei Senate im Landgericht in der Münzstraße - hat zunehmend Probleme bereitet. Im Jahre 2015 konnte die Zusage der Staatskanzlei erreicht werden, dass das Oberlandesgericht insgesamt in das Gebäude der ehemaligen Bezirksregierung, im Bohlweg 38, verlegt werden wird.

Bezirkserweiterung 1998
Seit dem 01.01.1998 gehört das Landgericht Göttingen mit seinen sieben Amtsgerichten zum Oberlandesgerichtsbezirk Braunschweig, der damit nach Auflösung des Landgerichts Holzminden (1890) erstmals wieder zwei Landgerichte umfasst. Die Zahl der Gerichtseingesessenen wurde durch diese gesetzliche Neuordnung um 50% auf rund 1,5 Millionen vergrößert, die Zahl der Richter des Oberlandesgerichts angemessen verstärkt. Von der damit einhergehenden Möglichkeit zur Spezialisierung der Senate im Bereich der Rechtsprechung wurde in weitem Umfang Gebrauch gemacht.

Gebäude und Ausstattung
Wegen des gestiegenen Raumbedarfs hat das Oberlandesgericht am 01.10.1974 seinen Sitz aus dem Gebäude des Landgerichts in der Münzstraße an den Bankplatz verlegt, nachdem das Land dort die Liegenschaft der ehemaligen "Braunschweig-Hannoverschen Hypothekenbank" erworben hatte. Bei dem 1853 von dem Architekten Friedrich Louis Simon, einem Schüler Schinkels, errichteten Ziegelbau handelt es sich um ein Anwesen im Stile eines italienischen Palazzo mit Anklängen an die Renaissance. Auch im Inneren entspricht der räumliche Zuschnitt weniger einem Gericht, sondern ist individuell gestaltet. Heutzutage sind alle Arbeitsplätze mit PCs ausgestattet, die untereinander vernetzt sind und den Anforderungen der modernen Kommunikationstechnologien gerecht werden. Drei Senate des Oberlandesgerichts sind weiterhin im obersten Geschoss des Landgerichts untergebracht. Die räumliche Trennung wird hoffentlich bald der Vergangenheit angehören.

Foto des Gerichtsgebäudes in der Münzstraße Bildrechte: JP

Gerichtsgebäude Münzstraße, bis 1974 Sitz auch des Oberlandesgerichts

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